Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft Leibniz-Gemeinschaft

Nominale Morphosyntax und Wortstellung im Heritage-Russischen im Kontext unterschiedlicher Majoritätssprachen (RUEG P3)

RUEG P3 ist ein Teilprojekt der DFG-finanzierten Forschergruppe "Emerging Grammars in Language Contact Situations: a comparative approach" und untersucht Russisch als Herkunftssprache in Deutschland. Unter Herkunftssprachen, auch Heritage-Sprachen genannt, versteht man die Sprachen, die Migrantinnen und Migranten in ihrem familiären Alltag sprechen. Sie stehen in Gegensatz zu sogenannten Majoritätssprachen, das heißt Sprachen, die von der Mehrheit der Bevölkerung in den jeweiligen Aufnahmeländern gesprochen werden. Herkunftssprachen unterlaufen oft komplexe Veränderungen und unterscheiden sich dadurch stark von den jeweiligen Standardsprachen. Das macht sie besonders interessant für die Sprachwissenschaft.

RUEG P3 ist seit 2018 am ZAS im Fachbereich II und im Institut für Slawistik und Hungarologie angesiedelt und wird von Luka Szucsich (HU) und Natalia Gagarina (ZAS) geleitet.

Das Teilprojekt RUEG P3 "Nominale Morphosyntax und Wortstellung im Heritage-Russischen im Kontext unterschiedlicher Majoritätssprachen" (engl. "Nominal morphosyntax and word order in heritage Russian across majority languages") untersucht die Frage, ob und, wenn ja, auf welche Weise Russisch als Herkunftssprache in Deutschland und den USA neue grammatische Muster im Bereich nominaler morphologischer Kategorien und bei der Wortstellung entwickelt.

Darüber hinaus zielt das Projekt auf eine theoretische Modellierung sich herausbildender grammatischer Varietäten in Bezug auf die untersuchten sprachlichen Domänen bzw. im Allgemeinen. Dies geschieht aus der Perspektive der drei gemeinsamen Unternehmen (engl. Joint Ventures) innerhalb des RUEG:

  • Joint venture I ("Sprachwandelhypothese"), das sich der Frage nach der Systematizität nicht-kanonischer grammatischer Mustern widmet,
  • Joint venture II ("Schnittstellenhypothese"), das die Lokalisierung neuer sprachlicher Entwicklungen an internen und externen Schnittstellen behandelt und
  • Joint venture III ("Hypothese interner Dynamik"), das darauf abzielt, kontaktinduzierten und sprachinternen grammatischen Wandel zu unterscheiden.

Zu diesem Zweck werden sprachliche Phänomene aus zwei Domänen untersucht:

  • der nominalen Morphosyntax, insbesondere Kasus, welche dem kerngrammatischen System zugerechnet wird, allerdings auch mit Wortstellung zusammenhängt, und
  • Wortstellungsphänomenen in der linken Peripherie des Satzes einerseits und der Verbpositionierung andererseits.

Die linke Peripherie des Satzes wird häufig mit der Interaktion zwischen Informationsstruktur / Diskurs und Syntax in Zusammenhang gebracht (externe Schnittstelle), während Verbpositionierung (insbesondere im Verhältnis zum direkten Objekt: Kopf-Komplement vs. Komplement-Kopf) als Bestandteil der Kernsyntax angesehen wird.

Wir werden Daten von Heritage-Sprechern mit solchen von monolingualen Sprechern des Russischen in Russland vergleichen, wobei wir, dem einheitlichen Elizitationsverfahren innerhalb der RUEG folgend, als Faktoren informelle vs. formelle und gesprochene vs. geschriebene Register sowie Alter berücksichtigen werden.

Unsere Ergebnisse werden mit jenen aus anderen RUEG Teilprojekten verglichen, die Wortstellungsphänomene in anderen Herkunftssprachen (Türkisch, Griechisch, Heritage-Deutsch) und in Majoritätssprachen (Deutsch, Englisch) untersuchen, sowie zu den Befunden zur Morphosyntax im Griechischen als Heritage-Sprache.

Das Projekt wird einerseits zum Verständnis von Sprachwandel in bi- (oder multi-) lingualen Gemeinschaften unter Berücksichtigung multipler Faktoren (situational / registerbezogen, im Bezug auf unterschiedliche kontaktlinguistische Settings, sozial, input-bezogen etc.), indem ein betont komparativer Ansatz verfolgt wird, und andererseits zu theoretischen Erklärungen sich herausbildender grammatischer Muster beitragen.

Kooperationspartner:

Tanja Anstatt, Universität Bochum
Nina Kazanina, University of Bristol
Maria Voeikova, Institute of Linguistic Research St. Petersburg
Ianthi Tsimpli, Cambridge University
Ludovica Serratrice, University of Reading
Marit Westergaard, UiT The Arctic University